Auszeit von der Welt?

Schon wieder in paar Tage ruhig gewesen hier. Bin derzeit recht viel unterwegs – heute gönn ich mir mal einen Auszeittag zuhause. Auszeit ist überhaupt so ein Stichwort. Bin ich gerade alleine mit dem Gefühl, die Krisen werden gerade viel zu viel und kommen viel zu nahe? In Mazedonien setzen sie Tränengas gegen Flüchtlinge ein, in Griechenland gibts Neuwahlen, in Traiskirchen schlafen immer noch Flüchtlinge im Freien (letzte Nacht hats 12 Grad gehabt), zwischen England und Frankreich wirds flüchtlingstechnisch auch immer grimmiger, in China – anderes Thema – fliegt so nebenbei ein Chemikalien-Lager in die Luft und verseucht die Umgebung mit Zyanid, .. es ist einfach zuviel gerade.

Man will helfen, manche tuns ein bißchen, manche tuns viel, manche sogar unfassbar viel (danke, Maddie!!) – aber man fühlt sich immer noch hilflos. Und man bekommt so ein schlechtes Gewissen! Gestern saß ich mit einer von mir sehr liebgehabten Person, die auf Besuch in Wien war, am Badeschiff. Wir tranken ganz auf dekadent Alkoholisches mit Minzblättern drin und schauten der Sonne zu, wie sie hinter den Ringturm plumpste. Dabei redeten wir über unsere Jobperspektiven, Männer, ihre Kinder, Zukunftspläne. Das übliche halt, wenn man sich eine Weile nicht gesehen hat, und viel passiert ist. Ich hatte meine Sonnenbrille auf der Nase, meine Beine am Liegestuhl gegenüber, mein Gesicht in der Sonne, meine liebste C. neben mir, und dachte mir nur: Gut so. So. Genau so.

Und wenige Minuten später kam ich mir einfach nur noch dekadent vor. Wir schlenderten durch die Innenstadt in Richtung Ubahnstation, mussten dabei einen regelrechten Touristenslalom hinlegen. DIESE Ausländer, die sind bei uns willkommen. Die lassen Geld da. Die umwerben wir.  Und eine halbe Stunde, nur eine halbe Stunde mit dem Auto (!) außerhalb sind noch mal so viele Menschen aus anderen Ländern, die man anscheinend nicht da haben will. Weil sie kein Geld haben.

Ich bin mir bewusst, dass mein Leben, auch wenn ich wahrlich nicht im Geld schwimme, unfassbar, unglaublich luxuriös ist. Ich habe eine Dach über dem Kopf, ich habe Freunde, ich habe einen Job, ich habe Familie hier, alle sind in Sicherheit, niemand ist bedroht, ich habe staatliche Krankenversicherung, und bissl Urlauben kann ich mir auch hin und wieder leisten.

Und ich befinde mich gerade in einem ganz seltsamen Gedankenkreisel: In der einen Minute bin ich dankbar für all dies, in der nächsten habe ich fast schon ein schlechtes Gewissen für den Lebensstil, den ich habe – und den ich nur deshalb habe, weil ich das Glück hab, hier geboren worden zu sein.

Viele der Flüchtlinge hatten in ihrer Heimat wahrscheinlich einen ähnlichen Lebensstil wie ich, vielleicht sogar besser (wobei ich mir nicht sicher bin, ob „besser“ da das richtige Wort ist). Und hier haben sie nichts. Ich kann mir nur wünschen, dass wenn hier mal Krieg ausbricht, ich in einem anderen Land nicht so behandelt werde, wie das offizielle Österreich die Flüchtlinge hier gerade behandelt. Ich frage mich, ob der Punkt kommt, an dem ich mir mein eigenes Glück nicht mehr gönne. Ich kenn mich, ich hab da empathietechnisch die Tendenz dazu…

Und ich, ich mach jetzt mal einen Tag Auszeit, Wäsche waschen, aufräumen, bissl was arbeiten, kochen, zuhause herumsumpern. Was auch ein unglaublicher Luxus ist. Wenn uns dieser ganze Wahnsinn rund um Traiskirchen schon sonst nichts lehrt (was ich nicht hoffe), dann zumindest Bescheidenheit.

3 Gedanken zu „Auszeit von der Welt?

  1. Uta sagt:

    Mir geht es da gedanklich so wie Dir, aber ich denke auch, wenn ich mir dessen bewusst bin ist schon etwas gewonnen. Dann bin ich noch nicht abgestumpft und habe die Möglichkeit etwas zu ändern. Ich habe gestern erst mal Pakete gepackt, nachdem ich herausgefunden habe, wer was braucht

  2. mukolama sagt:

    Ich verstehe total, was du meinst – mir geht es in letzter Zeit auch sehr oft so. Diese Hilfslosigkeit macht einen fertig und man möchte heulen, wenn man die Nachrichten sieht.
    Aber ich denke, es ist nicht gut, ein schlechtes Gewissen zu haben. Ein schlechtes Gewissen nützt niemandem was – es hilft den Flüchtlingen nicht, dass es ihnen besser geht; im Gegenteil, es macht nur, dass es dir bei all dem Glück, das wir haben, auch nicht gut geht.
    Was du auch ansprichst und was ich soo wichtig finde, ist Dankbarkeit. Dankbarkeit ist, wie ich in den letzten Wochen feststellen konnte, etwas, das viele hierzulande scheinbar nicht (mehr) kennen. Wir leben in so einem unfassbar schönen Land – es herrscht Frieden, die allermeisten haben ein Dach über dem Kopf, wir müssen nur den Wasserhahn aufdrehen, um etwas trinken zu können, die Gesundheitsversorgung ist eine der besten der Welt, wir haben die Möglichkeit auf umfassende Bildung, gesundes Essen ist leistbar, usw… Es ist Luxus, aber ich denke, wir sollten diesen Luxus genießen. Wer sich Gedanken darüber macht, wie dieser Luxus zustande kommt (seien es geschichtliche Hintergründe, Produktionsbedingungen, wo kommt was her, usw…), hat schon mehr gemacht, als die Meisten.
    Gleichzeitig sind wir – eben weil es uns so gut geht – in der Lage, dass wir unseren Wohlstand mit jenen teilen können, die dieses Glück nicht haben. Die einfach nur, weil sie im „falschen“ Land geboren sind, vor Krieg oder anderen Bedrohungen flüchten müssen.
    Egal ob Sachspenden, Geldspenden, „Zeitspenden“,… Jedes kleine Bisschen ist viel wert. Und wenn viele Menschen nur ein bisschen was tun, um zu helfen, ist das in Summe auch eine große Hilfe.

  3. nina sagt:

    Ja, das kann ich gut nachvollziehen. .. geht mir im Moment ähnlich. Ganz schwierig, und ich weiß auch nicht recht wie ich damit umgehen soll.
    Alles liebe! Nina

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